Von ukrainischem Getreide und Hungersnöten
Die Ukraine und Russland sind weltweit unter den größten Exporteuren von Getreide. Doch schon seit Februar 2022 herrscht Krieg zwischen den beiden Ländern. Welche Auswirkungen hat das auf den Getreidemarkt?
2021 war die Ukraine der fünftgrößte Getreideexporteur weltweit. Sie gilt als “Kornkammer Europas”, was auch an den sehr fruchtbaren Schwarzerde-Böden liegt, welche einen großen Teil der ukrainischen Fläche ausmachen. Die Hauptabnehmer des Getreides sind vor allem afrikanische und asiatische Länder. Entwicklungsländer sind besonders auf den Import von Getreide angewiesen, so bezogen Somalia und Benin 2020 ihre gesamten Weizenimporte aus der Ukraine und Russland. Letzteres ist der größte Weizenexporteur weltweit. Doch mit dem Beginn des Krieges blockierte Russland die Ausfuhr von ukrainischem Getreide aus den Schwarzmeerhäfen, über die zuvor mehr als 90% der Exporte ausgeführt worden waren.
Blockade ukrainischer Häfen
Russland verstößt mit dieser Blockade gegen das Seerecht. Annalena Baerbock mahnte bereits im Mai, dass die knapp 25 Millionen Tonnen Getreide, welche an den Häfen feststecken, dringend im Nahen Osten und anderen vom Hunger bedrohten Ländern benötigt würden. Der EU-Außenbeauftragter Josep Borrell nannte die Blockade sogar ein Kriegsverbrechen. Denn Russland und Ukraine sind für den Weltmarkt entscheidende Produzenten. Sie machen weltweit zusammen etwa 30 Prozent des Exportvolumens beim Weizen aus. Die Schwarzmeerregion hat dadurch großen Einfluss auf den Weltmarktpreis von Getreide.
Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit
Durch die Blockade schossen die Getreidepreise durch die Decke. Binnen kurzer Zeit stiegen sie fast auf das Doppelte an. Dies erweist sich besonders für ostafrikanische Länder als Problem, da durch das Ausbleiben von Regenzeiten die eigenen Ernten ebenfalls verdorrt sind. Besonders betroffen sind Äthiopien, Kenia und Somalia. Das sonst billige Brot ist nun zu teuer für viele Menschen, sodass diese Angst haben, ihre Familien nicht mehr ernähren zu können. Auch der Nahe Osten wäre von Knappheit und Unterernährung betroffen. David Beasley, der Direktor des Welternährungsprogramms, warnte im Mai, dass 44 Millionen Menschen weltweit unmittelbar vor der Hungerkrise stünden. Russland setzt so bewusst den Hunger in der Welt als Druckmittel ein, indem es die Nahrungssicherheit gefährdet.
Getreideabkommen soll helfen
Am 22. Juli wurde daraufhin in Istanbul ein Abkommen zwischen Russland und der Ukraine unterzeichnet, welches die sichere Ausfuhr von ukrainischem Getreide durch einen Schutzkorridor im Schwarzen Meer ermöglichen soll. Außerdem soll der Export von russischen Lebens- und Düngemitteln vereinfacht werden. Schon während der Verhandlungen sanken die Getreidepreise wieder, blieben allerdings während des Abkommens immernoch weit über dem Preis von vor dem Krieg. Dennoch ist das Abkommen von großer Bedeutung, um der weltweiten Nahrungsmittelkrise zu begegnen. Des weiteren wurden seit Anfang August mehr als elf Millionen Tonnen Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte aus ukrainischen Häfen transportiert, etwa 40 Prozent davon gingen an Entwicklungsländer. Die Agrarmärkte wurden laut Fachleuten teils stabilisiert.
Wird das Abkommen fortgeführt?
Dieses Abkommen wäre vor einigen Wochen fast ausgelaufen. Russland ließ bis zum Ende offen, ob es eine Verlängerung geben sollte. Dem Kreml war vor allem wichtig, dass Russland die Möglichkeit bekäme, Nahrungsmittel zu exportieren und das Abkommen von ukrainischer Seite nicht militärisch genutzt werden könne. Ein Problem stellen die Sanktionen des Westens dar. Durch diese fühlt sich Russland behindert, da es Abwicklungen von Zahlungen sowie die Versicherungen russischer Schiffe erschwert. Glücklicherweise stieg Russland am Ende der Verhandlungen wieder in das Abkommen ein. Die Erleichterung war in der Politik und bei NGOs zu sehen, der Schwarzmeer-Korridor sie eine Lebensader für die 349 Millionen akut hungernden Menschen in der Welt. Olexander Kubrakow sagte, es sei ein wichtiger Schritt im globalen Kampf gegen die Lebensmittelkrise. Deutschlands Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze von der SPD machte jedoch deutlich, dass für die Zukunft gute Alternativen gefunden werden müssten, da dem Wort des russischen Präsidenten nicht viel Vertrauen geschenkt werden dürfe.