Einblick in die Politik: Staatsministerin Sarah Ryglewski im Interview

8 Minuten Lesezeit

Auf unserer Schülerzeitungsfahrt nach Berlin hatten drei unserer Redakteur*innen die Gelegenheit, Sarah Ryglewski zu interviewen. Frau Ryglewski ist Abgeordnete der SPD für unseren Wahlkreis Bremen 1. Außerdem ist sie als Staatsministerin für Bund-Länder-Beziehungen und nachhaltige Entwicklung beim Bundeskanzler tätig.

 

Schülerzeitung: Können Sie sich zu Beginn erst einmal vorstellen?

Sarah Ryglewski: Mein Name ist Sarah Ryglewski. Ich bin 41 Jahre alt, in Köln geboren und lebe seit 2002 in Bremen. Ich bin schon seit meiner Jugend politisch engagiert. Damals habe ich mich vor allem in der Kommunalpolitik, aber auch im Kampf gegen Rechts und für mehr Bildungsgerechtigkeit engagiert. So bin ich dann bei den Jusos und somit der SPD gelandet. Dort habe ich mich dann ehrenamtlich engagiert und so Juso-Landesvorsitzende geworden. 2011 wurde ich Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, und 2015 bin ich dann als Abgeordnete in den Bundestag eingezogen. Vier Jahre später wurde ich Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, und daraufhin bin ich nach der Bundestagswahl im Jahr 2021 Staatsministerin im Bundeskanzleramt geworden.

Was hat zu Ihrem politischen Interesse geführt?

Ich bin in einem sehr politischen Elternhaus aufgewachsen und habe mich schon immer für Politik interessiert. Mein Vater war auch Mitglied in der SPD, und meine Eltern haben Wert darauf gelegt, dass meine Schwester und ich politische Zusammenhänge verstehen. Deshalb habe ich mir schon früh viele Gedanken zu politischen Themen gemacht. Mein politisches Engagement fing dann in meiner Jugend an. Zuerst habe ich mich im Bereich Umweltschutz politisch eingebracht, aber ich merkte schnell, dass mich Gerechtigkeitsthemen mehr beschäftigen. Ich habe mich deshalb damals zum Beispiel für einen besseren ÖPNV engagiert.

Was sind Ihre politischen Ziele und Schwerpunkte?

Da gibt es viele, zum Beispiel beschäftigen mich Gerechtigkeitsthemen sehr. Aber auch die Möglichkeit der politischen Mitgestaltung von Menschen vor Ort ist mir sehr wichtig und aus diesem Grund die Kommunalpolitik. In diesem Zusammenhang beschäftigt mich die Frage, ob die Kommunen finanziell gut genug ausgestattet sind, da hier die Leute am unmittelbarsten erfahren, ob sie in irgendeiner Weise Dinge in der Bürgerschaft oder im Beirat mitentscheiden können.

Gab es in Ihrer politischen Laufbahn etwas, das Sie besonders stark in Erinnerung haben?

Bisher hat mir alles, was ich gemacht habe, Spaß gemacht, auch weil alles sehr unterschiedlich war. Besonders mein Amt als parlamentarische Staatssekretärin fand ich sehr interessant, weil ich dort sozusagen als Bindeglied fungiert habe. Das bedeutet, ich habe einen Minister, insbesondere in den Ausschüssen, aber auch nach außen hin vertreten. Ich konnte dort vermitteln, was die Abgeordneten wollen, aber auch was die Regierung will. So kann man ziemlich viel gestalten. Gleichzeitig hatte ich, da ich damals weiterhin Parlamentarierin war, die Möglichkeit, viel von dem, was man vor Ort noch erlebt, in den Gesetzgebungsprozess mit einzubringen. Während Corona habe ich zum Beispiel viele Gespräche mit den Verbänden in Bremen geführt. Da haben mich häufig Leute aus dem Ministerium gebeten, bestimmte Themen in Berlin zu besprechen. Man merkt nämlich, wie lange es auf normalem Wege dauern kann, bis Themen dahin vordringen. Aber auch mein jetziges Amt finde ich sehr spannend, da ich jetzt sehr nah mit dem Bundeskanzler zusammenarbeite. Zum anderen finde ich die Regierungskoordination und die Vermittlung zum Parlament, aber auch die Arbeit mit den Bundesländern sehr interessant.

Warum hat Herr Scholz Sie für Ihr jetziges Amt vorgeschlagen? 

Ich kannte ihn schon aus der Zeit, als er Finanzminister war. Damals hat er als Nachfolger von Christine Lambrecht schnell eine Person gebraucht, die schon genügend Erfahrung hatte und die auch mitten in der Legislaturperiode als parlamentarische Staatssekretärin einspringen konnte. Weil ich diese Kriterien erfüllt habe, hatte sich das angeboten. Ich bekam dann einen sehr positiven Eindruck, da wir im Themenbereich Finanzen in bestimmten Punkten unterschiedliche Auffassungen hatten. Darüber haben wir uns sehr offen ausgetauscht. Über die zwei Jahre bis zu seiner Wahl als Bundeskanzler hatten wir eine sehr gute Zusammenarbeit, und dann fragte er mich 2021, ob ich mir vorstellen könnte, die Funktion als Staatsministerin beim Bundeskanzler zu übernehmen.

In welcher Weise steht Ihre Arbeit mit der Arbeit des Bundestags in Verbindung? 

Für das, was ich im Moment mache, muss man Bundestagsabgeordnete sein, weil ich beispielsweise die Bundesregierung im Ältestenrat vertrete. Das ist quasi die Regierung des Parlaments, wo zum Beispiel die Tagesordnung, aber auch Streitigkeiten besprochen werden. Da ist es gut, wenn man die parlamentarischen Abgeordneten kennt, weil man weiß, was die Fraktionen umtreibt. Auch wenn es um Gesetzgebung geht, führe ich mit den Fraktionen viele Gespräche, um zum Beispiel zu schauen, ob es Probleme gibt, die schon frühzeitig gelöst werden können. Für mich als Bremer Bundestagsabgeordnete ist es noch gut, dass ich schon vieles mitbekomme, was über meinen Schreibtisch geht. Auch wenn ich natürlich kein Bundesland bevorzugen darf, kann ich im Austausch dann schon den ein oder anderen Hinweis geben, der gut für Bremen ist.

 

Sie sind unter anderem für Nachhaltige Entwicklung zuständig. Was haben Sie in diesem Amt schon erreicht?

Ich bin dafür zuständig, Themen im Bereich Nachhaltige Entwicklung zwischen den einzelnen Ministerien zu koordinieren. Dieser Themenbereich erstreckt sich nämlich in ganz viele Bereiche, wie Umweltschutz, Wirtschaftspolitik, aber auch Entwicklungszusammenarbeit. Meine Aufgabe ist es, dass wir alles vernünftig miteinander koordiniert bekommen. Im Moment arbeiten wir zum Beispiel an der Entwicklung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Ich bin auch sehr stolz darauf, dass wir es schaffen, neben der ökologischen Dimension und dem Thema Klimaschutz auch die soziale Dimension, wie zum Beispiel Bildungspolitik, nach vorne zu stellen.

Was sind gerade die größten Herausforderungen in Ihrem Aufgabenfeld? 

Im Bereich Nachhaltigkeit ist es gerade die Aufstellung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Wir haben damit schon vor einem halben Jahr angefangen und sind im Moment dabei, das Ganze zu verschriftlichen. Ab April oder Mai können dann übrigens online auch Anregungen zu dem Thema eingebracht werden. Bis wir das alles zusammengebunden haben, wird es aber noch bis Herbst dauern. Da haben wir also noch ordentlich Arbeit vor uns. Tatsächlich ist im Moment aber meiner Meinung nach die größte Herausforderung die Frage der Klimaneutralität von Deutschland. Gerade wenn wir weniger abhängig von fossilen Brennstoffen sein wollen, muss sich in Deutschland noch eine Menge ändern.

Wollen Sie in Zukunft noch für andere Positionen kandidieren?

Ich habe in den letzten zehn Jahren gelernt, dass in der Politik nichts wirklich planbar ist. Ich achte eher darauf, dass ich mein jetziges Amt gut ausführe. Eigentlich hängt es sehr davon ab, ob es in dem Moment gerade passt, für eine bestimmte Position zu kandidieren.

Warum sollten junge Menschen der SPD beitreten oder sie wählen? 

Die Themen, die uns viel beschäftigen, sind jetzt noch sehr aktuell. Uns sind vor allem Themen zur Gerechtigkeit wichtig. Gerechtigkeit ist meiner Meinung nach das wichtigste Thema überhaupt, natürlich nicht nur Gerechtigkeit im Inland, sondern auch global, zum Beispiel in Bezug auf Entwicklungszusammenarbeit. Natürlich sind wir eine Partei, in der auch viele ältere Menschen aktiv sind, aber ich persönlich fand es immer ganz spannend, in meinen Ortsverein zu gehen, wo ich dann mit Leuten zu tun hatte, die 50-60 Jahre älter als ich waren, die mich ernst genommen haben, die ich aber auch ernst nehmen musste. Dieser Respekt war wichtig, um gemeinsam etwas erreichen zu können. Der Austausch zwischen Generationen war für mich etwas Besonderes, da dieser in meinem normalen Alltag eher selten möglich war.

Sie sind im Kampf gegen Rechts engagiert. Was sagen Sie zu den wachsenden AfD-Umfragewerten?

Wie viele andere, besorgt mich dies auch. Letztens veröffentlichte Correctiv die Enthüllungen zu dem Treffen in Potsdam. Auch wenn man sich Bundestagsdebatten anschaut, ist dieses Treffen keine Überraschung. Die AfD ist eigentlich schon immer sehr offen damit umgegangen, dass laut ihrer Auffassung bestimmte Menschen, wie beispielsweise Ausländer, Homosexuelle und Trans-Menschen, nicht zu diesem Land gehören. Es bedrückt mich, dass manche Leute das offensichtlich gut finden. Es ist auch ganz wichtig zu betonen, dass jeder, der die AfD wählt, rechts wählt. Auch wenn sicherlich nicht jeder von diesen Menschen rechts ist, dürfen sie sich nicht vor dieser Tatsache verstecken.

Sie arbeiten hier in Berlin, leben aber in Bremen. Wie oft sind Sie in Berlin? 

Also, wenn Sitzungswoche ist, bin ich eigentlich immer hier in Berlin. Seitdem ich im Kanzleramt bin, bin ich auch, wenn keine Sitzungswoche ist, mehrere Tage in Berlin. Das kann man aber nicht genau sagen. Ich versuche aber immer mindestens einen Werktag die Woche in Bremen zu sein, um Termine im Wahlkreis zu machen, aber natürlich auch, weil mein Mann und ein Teil meiner Familie dort leben.

Welche Stadt mögen Sie lieber, Berlin oder Bremen?

Ich mag beide Städte total gerne. Ich habe eigentlich drei Städte, an denen mein Herz hängt, das sind Bremen, Berlin und Köln. Ich mag die alle unterschiedlich. Köln ist die Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin, und gerade den Rhein finde ich sehr schön. In Bremen ist es ähnlich. Dort bin ich quasi erwachsen geworden, die meisten meiner Freunde leben in Bremen, und ich finde es immer noch toll, diese Stadt in Berlin vertreten zu dürfen. Berlin ist dann wieder ganz anders. Ich habe das Glück, im Gegensatz zu anderen Abgeordneten, hier nicht nur zum Arbeiten herzukommen. Ich habe nämlich auch hier einige Freunde, und auch ein Teil meiner Familie lebt in dieser Stadt. Ich sehe es als Privileg, gleich drei tolle Städte zu haben, in denen ich mich so ein bisschen zu Hause fühle.

Vielen Dank für das Interview.

 

 

Autoren

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert